Ein Missionar auf Abwegen

Ein Pater hat für die Armen eine Schule aufgebaut und Spenden für die Primarbildung eingesetzt. Ein redlicher Organisator und Prediger, jemand, der Menschen fair davon überzeugen kann, etwas mit Zeit oder Geld von Herzen beizusteuern. Er ist hingegen auch ein Mensch aus Fleisch und Blut, ein Mann mit Wunsch nach Zärtlichkeit. Lediglich geistlich auf Gott zu vertrauen, sei seiner Erfahrung nach schwierig für ihn – zu schwierig, um seiner Berufung zu folgen, sich Gott zu ergeben ohne sich selber zu schaden.

Mit einer jungen einheimischen Krankenschwester geht er schliesslich eine Beziehung ein, denn er ist verliebt und glücklich. Von seiner Stelle als Missionar muss er hingegen zurücktreten. Die Schule darf er behalten, die Gläubigen aus dem Ausland spenden daraufhin aber weniger. Nun kommerzialisiert er die Schule und ergänzt diese schliesslich mit einer Berufsschule. Denn Bildung lässt sich nicht mehr kostenlos genießen, dafür sind die Berufsaussichten besser.

Seine Familie wird aufgrund seiner Partnerschaft angefeindet. Ein Haus mit hohen Mauern muss her, um sich zu schützen. Seine Leistung für Schule, für den Mauerbau und als Lebenspartner ist beachtlich. Ich habe lange mit ihm sprechen können. Den Menschen im Sinne Christi zu helfen, sieht er weiterhin als seine Pflicht. Mein Fazit; ein einwandfreies Leben als Priester wird allmählich toleriert und schliesslich akzeptiert, wenn der fragliche Priester unerwartet geheiratet hat. Aber einem Schulleiter wird kaum etwas vergönnt. Obwohl der Bildungswettbewerb härter geworden ist. Diese Kombination macht es für einen Pater in zusätzlicher Funktion eines Schulleiters alles andere als einfach.

Ich bewundere diesen Missionar, der für die Kirche keiner mehr ist.

Predigt super, Handlung «heisse Luft»

Seine Predigen sind perfekt, nah am Zeitgeschehen, rhetorisch versiert, stimmgewaltig und emotional. Seinetwegen strömen die Leute in die Kirche. Sein Auftreten erntet Beifall, mit stimmiger Antwort zu allen Fragen wartet er auf.

Aber er schützt umfassend sein unterstützendes Umfeld und lässt daher Ungerechtigkeiten zu, traut sich nach Hinterfragungen gegenüber seiner Befürworter kaum zu agieren, beziehungsweise überlässt er hierzu die meiste Arbeit anderen. Seelsorgerische Gespräche mit ihm verlaufen schwierig, weil er zu sehr von sich überzeugt ist. Probleme der Gläubigen kann er kaum einschätzen. Auch gewiss deshalb umgibt er sich weitaus mehr mit seinem Kirchenrat und der Obrigkeit als mit herkömmlichen Kirchgängern.

Immer mehr Kritik fällt unter den Tisch. «Er kann doch so gut predigen!» Doch was bringt das? Strategisch geschickte Reden als Aufgabe der Kirche? Wo Seelenheil und Spiritualität? Freilich braucht ein Pfarrer etwas von beidem. Nur ein Redeschwinger und glänzender Repräsentant wird eher wahrgenommen und somit eher geschätzt als jener Pfarrer, der Schlichtheit, Stille und auf Augenhöhe die Nähe zu Menschen in Not sucht, sowie diese Augenhöhe auch gegenüber einfachen Zuständen anderer wahrnimmt.

In der Kirche arbeiten Menschen. Sollten wir nicht achtgeben, dass wir diese nach ihren Handlungen und nicht zu sehr nach ihren Worten beurteilen? «Doch, bestimmt sollten wir das.»

So stelle ich mir einen Nachfolger Christi vor

Er geht auf die Menschen zu, ruhig und verständnisvoll. Sein Pfarrhaus ist offen. Ein bescheidener Pfarrer, der hohe Empathie signalisiert. Danach ausgerichtet, den Menschen voll und ganz zuzuhören, und das mit all seinen Sinnen.

Trifft er in der Stadt andere an, fragt er immer, wie es ihnen geht. Dies gleich in Hinblick auf ihre Familie, Arbeit und Freizeit. Denn allen soll die Gelegenheit überlassen bleiben, ein wenig über sich zu plaudern.

Die Messe führt er ruhig und besinnlich, dennoch spricht er die aktuellen Probleme und Herausforderungen an. Anschließend lädt er ins Pfarreiheim ein. Dort begrüßt er jeden und bleibt solange, bis es alle verlassen haben. Seinen Mitarbeitern überlässt er Freiraum und Mitsprache, bei deren Wahl er gewissenhaft und wohlüberlegt vorgeht.

Ich musste einige Abdankungen miterleben. Ein davon betroffener Pfarrer begab sich zu den Menschen nach Hause. Gottes Gegenwart ist zu Hause bei den Menschen, eigentlich immer wieder überall im Alltag; manchmal fragte ich mich hingegen, ob er in diversen Kirchgemeinschaften weniger wirkt als in den Gässchen einer Stadt, und ob seine Gegenwart in diesen Kirchen manchmal unerwünschter und deshalb weniger präsent ist. Der fragliche Pfarrer ist von Repressalien betroffen, steht für andere Nachfolger Christi und geht alles anders an als der glänzende Prediger im folgenden Beitrag.
Priester als Prediger

Der Spion des Papstes

Einen meiner Freunde nenne ich Spion des Papstes. Stets fragt er mich, wann ich in die Kirche gehe und erzählt mir Neuigkeiten aus dem Vatikan. Als ehemaliger Schweizergardist weiß er einiges über die Kirche zu berichten und pflegt einen engen Kontakt zur Schweizergarde.

Die Mitglieder der Schweizergarde erhalten umfassende Einblicke in das kirchliche Leben. «Kirche dient der geistlichen und mystischen Nahrung, sie verweltlichen zu wollen, bereitet keinerlei Sinn,» so mein Freund. Er meint, dass meine Probleme Kleinigkeiten sind. Wählte ich einen Weg des Friedens, würde mir Gott helfen.

Was aber tun bei Ungerechtigkeiten? Zudem werden Fortschritte oft nur durch Konflikte angestoßen. Wie war es zu jener Zeit, als der Glaube alles bestimmte? Da prägte Hunger den Alltag fast aller Menschen. Viele weitere Fragen schießen mir durch den Kopf, wir reden und reden…

Ich unterhalte mich gerne mit diesem «Spion des Papstes». Unsere Gespräche verlaufen humorvoll. Immerwährend Ruhe und Haltung zu bewahren, lernte er bei der Schweizergarde.

Nonnen, Mission, Mädchenpensionate

Hinsichtlich meiner Familie väterlicherseits, wo meine Grossmutter einen armen Arbeiter geheiratet hatte, waren Schwestern meiner Grossmutter ins Kloster eingetreten. Vielleicht auch, um das Erbe meiner Grossmutter nicht zu schmälern. Sie, also meine Großtanten konnten jedoch ihre Erfüllung im Kloster finden.

Immer wieder traf ich meine Grosstanten in meiner Kindheit. Engagierte Nonnen, die sich für ein besseres Leben anderer einsetzten. Eine Grosstante wirkte in Formasa, dem heutigen Taiwan als Missionarin. Sie schickte mir reichlich viele geschmackvolle Briefmarken und einmal ein grosses Plakat mit eingeschweißten Schmetterlingen. Schmetterlinge prägten mein Leben, und dies fortwährend. «Wenn ich daran denke, wieviel Schönheit in einer gefrässigen Raupe steckt!»

Zwei andere Grosstanten arbeiteten in Mädchenpensionaten. Dort konnte ich als Jugendlicher heimlich von vielen schönen Mädchen träumen. Sie durften kaum mit mir reden, und abends wurde ich vor ihnen versteckt. «Irgendwie eine bedrückende Situation.» Auch heute gilt in der Kirche noch unsinnige Geschlechtertrennung.

Was ich von den Grosstanten lernte ist Engagement. Wir verbrachten eine sehr lustige Zeit miteinander. Schwer fiel es mir, Ruhe im Gebet zu finden. Mein Weg ohne meine Grosstanten wäre anders verlaufen.